Auszug aus meinem Mütter-Ratgeber mit Inspirationen zum Frausein und vielen Ritualen für Mütter und Töchter zu verschiedenen Anlässen:
Wie alles begann
Liebe Mutter einer Tochter,
herzlich willkommen! Du möchtest deine Tochter dabei unterstützen, ihren Körper zu bejahen und stolz auf sich und ihr Frausein zu sein? Wunderbar!
Du hoffst, dass sie Glück und Zufriedenheit in ihrem Leben, ihren Liebesbeziehungen, ihrem Beruf finden wird? Sie soll ihren eigenen Weg gehen dürfen, ohne den Meinungen Anderer zu viel Raum zu geben?
Mit diesen Gedanken befindest du dich hier in bester Gesellschaft, denn so sehen auch meine Wünsche aus, und auch die der meisten Mütter, die ich für mein Buch interviewt habe. Aber lass mich von vorne anfangen ...:
14. Dezember 2018:
Vor kurzem hatte ich abends ein Gespräch mit unserer neunjährigen Tochter. Sie bekam mit, dass ich meine Periode hatte und stellte mir die Frage, was genau man dabei beachten müsse.
Wie Babys entstehen, wissen sie und ihre siebenjährige Schwester schon seit längerer Zeit. Sie kennt die besondere Körperöffnung der Frauen, aus der das Menstruationsblut austritt. Auch die Vorgänge der menschlichen Fortpflanzung sind für sie schon recht vertraut – wir hatten eine bewegte Peter-Ida-und-Minimum-Zeit... Es gab eine Phase, da war jedes Entblößen meines Oberkörpers Anlass für Gespräche über meinen Bauch – wer da schon alles drin war, wie die jeweiligen Babys da wohl reinkamen, und, noch viel spannender, wie sie da wieder rauskamen. Da also in puncto Aufklärung bei uns schon einiges gelaufen war, war mir klar, dass die aktuelle Frage sich mehr auf Praktisches bezog.
Also erklärte ich meiner Tochter einiges über Hygieneartikel wie Binden und Tampons. Sie befürchtete, dass "es" zum ersten Mal passieren könnte, während sie in der Schule sei. Wir überlegten gemeinsam, wie sie sich darauf vorbereiten könnte. Peinlich berührt fiel mir auf, dass ich biologisch zu wenig bewandert war – ich konnte ihr auch keine klaren Vorzeichen für die erste Menstruation benennen.
Mir wurde immer klarer, dass meine Tochter in diesem Moment zwischen Angst und Ekel schwankte. So konnte und wollte ich das auf gar keinen Fall stehen lassen!
Angestrengt suchte ich nach allem Positiven, das mir einfiel. Ich tat mein Bestes, um meiner Tochter zu vermitteln, dass die Menstruation etwas Wertvolles ist. Redete mit Engelszungen, immer mit dem Ziel, dass sie sich in ihrem Körper rundum wohl fühlen und ihn für alles, was ihn ausmacht, lieben wird. Doch nichts kam richtig an – ihre sorgenvollen Gedanken hatten bereits die Oberhand gewonnen. Schließlich fiel mir ein, dass es in anderen Kulturen oft ein Fest gibt, das den Eintritt der Monatsblutung feiert. O-Ton meine Tochter: „Wie bitte – auch noch ein Fest deshalb feiern?“. Das erschien ihr dann doch ziemlich abwegig!
Nachdem sie zu Bett gegangen war, beschäftigte mich das Thema noch lange, wie du sicher verstehen kannst. Erinnerst du dich an deine eigene erste Menstruation? Warst du erfreut oder peinlich berührt? War dieses Ereignis mit Scham verbunden, beispielsweise, weil deine Kleidung Flecken bekam? Wusstest du überhaupt, dass diese Art von Blutung irgendwann kommen würde, oder hat sie dich überrascht und geängstigt?
Ich habe später mit vielen Müttern über ihre eigenen Erfahrungen gesprochen, und die meisten in meiner Generation wussten wenig bis gar nichts über die zyklischen Vorgänge in ihrem Körper, bevor sie ihre erste Regel bekamen. Manche hielten ihre Blutung sogar aus Scham einige Zeit geheim, und standen derweil heftige Ängste aus, weil sie vermuteten, schwer krank zu sein.
Auch für mich kam die erste Menstruation völlig unvorbereitet im Alter von 11 Jahren. Ich wusste über den Monatszyklus zu diesem Zeitpunkt so gut wie nichts – meine Mutter hatte schlicht gedacht, ich sei noch zu jung dafür. Ich weiß noch, wie ich erschrak über das Blut in meinem Slip. Glücklicherweise war ich gerade zuhause, so dass ich gleich um Rat fragen konnte.
Allerdings wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt auch nichts Genaueres zum Thema Geschlechtsverkehr. Anlässlich meiner ersten Blutung erläuterte mir meine Mutter nun auch dazu das Wichtigste. Aber die Menge an Informationen nach dem Schreckmoment "Blut in meiner Hose!" überforderte mich. Ich weiß noch, dass ich mich danach völlig verunsichert fühlte. Mir war auch körperlich schlecht, so, als ob ich mich übergeben müsste. Andererseits erwachte in mir ein winzig kleiner Anflug von Stolz, dass ich nun eine "richtige" Frau war.
Als ich diese Erinnerungen auf mich wirken ließ, wurde mir klar, dass die Unsicherheit, die ich damals so stark empfand, vermutlich von den meisten jungen Frauen geteilt wird: Plötzlich beginnt ihr Körper an einer Stelle zu bluten, die sie als sehr intim empfinden. Je nach bisherigen Erfahrungen und Bewertungen, die sie erfahren haben, kann es sein, dass die Vulva und der weibliche Unterleib an sich für sie etwas Verbotenes oder Unanständiges darstellen. Nun sind sie aufgefordert, sich in besonderer Weise um diese intime Körperstelle zu kümmern. Welche für sie passende Art des Umgangs mit diesem Blut finden sie – sollen sie Binden benutzen? Oder probieren sie es trotz Hemmschwelle aus, in die Scheide einen Tampon einzuführen?
Doch es geht ja nicht nur darum, sich mit dem Blut, das da plötzlich aus dem Körper austritt, auseinander zu setzen. So viele Fragen treten zum Zeitpunkt der ersten Periode erstmals oder verstärkt auf: Wie wird frau eine Frau? Welches sind weibliche Vorbilder, an denen ich mich orientieren kann und vor allem will? Werde ich so akzeptiert von anderen Frauen, von Männern, von meiner Umwelt, wie ich bin? Wie mache ich alles "richtig"? Bin ich denn richtig? Bin ich schön? Und so weiter ...
Und, wie das als Mutter so ist: Während ich mich immer mehr mit diesem Thema beschäftigte, wurde in mir der Wunsch übermächtig, meine Töchter zu beschützen – vor ... Ja, wovor eigentlich? Primär wollte ich verhindern, dass sie das Frausein – seien es die körperlichen oder die Wesensaspekte – als bedrohlich erleben. Zunächst waren da lauter NICHTs in meinem Kopf:
Ich will nicht, dass sie sich wegen der natürlichsten Vorgänge der Welt, die in ihrem Körper stattfinden werden, irgendwann schämen.
Ich will nicht, dass sie sich aufgrund gesellschaftlicher Geschlechterrollen unfrei fühlen.
Ich will nicht, dass sie sich nur über ihren Körper als Frau definieren.
Ich will nicht, dass sie unrealistischen Schönheitsbildern nacheifern, die sie nur unglücklich machen.
Dann fing ich an, mir Gedanken darüber zu machen, was ich stattdessen für meine Töchter will. Es war mir zwar bewusst, dass ich selbst meine Töchter nur zum Teil auf das Frausein vorbereiten kann: Sie sind heute bereits anders als ich damals war. Und sie werden auch als Frau anders sein, als ich es heute bin.
Und doch nahm ich mir vor, mein Möglichstes dafür tun, dass:
... meine Töchter stolz sein können, Frau zu sein.
... sie ihren Körper lieben – einfach, weil er so ist, wie er ist.
... sie ihre eigene Weise entdecken, glücklich als Frau zu leben.
... sie ihre Potentiale entfalten und mutig Neues wagen.
... sie sich selbst lieben.
... sie sich echt und wahrhaftig fühlen...
Diese Liste könnte ich wohl endlos fortsetzen!
In den kommenden Wochen beschäftigte ich mich weiter mit dem weiblichen Zyklus. Je mehr ich darüber nachdachte, desto unglaublicher fand ich es, dass es in unserer Kultur kein bekanntes Fest anlässlich der ersten Regelblutung gibt. Ich recherchierte im Internet auf der Suche nach einer Art Anleitung, wie ich mit meinen Töchtern ihre erste Blutung wirklich feiern könnte. Ich wollte etwas Starkes, Kraftvolles, gerne auch in Verbindung mit anderen Frauen. Und hoffte auf eine Art Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man sie beispielsweise für die Planung von Hochzeiten kennt. Dabei fand ich zwar vereinzelte Gruppenangebote für Mädchen im deutschsprachigen Raum. Und ich erfuhr auch, dass man die erste Blutung "Menarche" nennt – ein altgriechiches Wort, das sich aus "Monat" und "Anfang" zusammensetzt. Viele bezeichnen Feste anlässlich der ersten Menstruation auch als Riten der Initiation – darunter versteht man die Aufnahme in eine spezielle Gemeinschaft. Sehr viel mehr schenkte mir das Internet an dieser Stelle nicht.
Doch wenn ich einmal etwas will, kann ich hartnäckig sein. Ich wollte dieses Fest der Weiblichkeit mit meinen Töchtern feiern. Und es sollte ein wichtiger Schritt auf ihrem Weg in ein Leben als stolze Frau sein. Also musste ich mir selbst etwas überlegen. So fing alles an.
Hast du Lust, noch weiterzulesen? Eine Leseprobe zum Download als pdf mit ausführlichem Inhaltsverzeichnis und vielen Anregungen findest du hier.
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Foto: Agung Pandit Wiguna/Pexels